Möglichkeiten und Unmöglichkeiten in Zeiten des Homeschooling

Das hatten wir noch nie: Rein in die Schule, raus aus der Schule, im wöchentlichen Abstand wechselnde Bedingungen, denen sich alle Beteiligten blitzschnell anzupassen haben. Hier gibt es allerdings sehr unterschiedliche Voraussetzungen bei allen Schüler*innen. Ich rede hier nicht nur von der Ausstattung mit Sachmitteln und Räumen und den persönlichen Zeitfenstern der betreuenden Eltern. Familien können eines oder mehrere Kinder in verschiedenen Altersstufen haben, wovon eine jedes seine Aufmerksamkeit verdient. Sehr viel Zeit wird jetzt mit der ganzen Familie verbracht. Daraus entstehen zweifelsohne mehr Konflikte als sonst. Es ist wie in einem Topf mit kochender Suppe: Irgendwann sprudelt es über. Wichtige Entspannungsphasen (Topf vom Feuer nehmen) geraten im Strudel der Organisation und durch den versperrten Zugang zu Angeboten (kein Ausflug in den Zoo, kein Sport, keine Pfadfinder) aus dem Blickfeld. Stress entsteht. Und Stress ist der Feind des Lernens.

Lehrer*innen und Schulen reagieren völlig unterschiedlich auf die Herausforderungen. Alle versuchen sicher ihr Bestes, doch zwangsläufig ist Vieles von experimentellem Charakter. Manches funktioniert prima, einiges leider auch nicht. Den Lernstoff eines mittlerweile ganzen Schuljahres unter diesen Bedingungen zu vermitteln, ist eine grandiose Selbstüberforderung. Nur das obere Leistungsdrittel aller Schüler wird dies bei optimaler Unterstützung durch ihre Familien leisten können.

Sie als Eltern begleiten nicht nur Ihre Kinder sondern auch sich selber durch eine schwierige Phase. Sie können nun entscheiden, angesichts Ihrer eigenen Bedingungen, wie viele der Bälle, die Ihnen die Schule nun zuwirft, Sie aufnehmen werden. Schützen Sie sich vor dem Anspruch, einen nicht stattfindenden Unterricht als Nicht-Fachperson an ihrem eigenen Sprössling zu 100 Prozent auszugleichen. Definieren Sie jede Woche neu, welche Bildungsziele für Ihr Kind und für Sie wirklich wichtig sind. Keine großen Lücken aufzubauen ist bedeutsam – aber die Fülle eines Wochenplanes aus Zeiten des „normalen“ Unterrichts abzuarbeiten ist es sicher nicht. Und denken Sie daran, dass Ende dieses Sommers in der ganzen BRD Schüler*innen in die nächste Klasse wechseln sollen, die unmöglich den üblicherweise definierten Stoffrahmen erarbeitet haben können. Die Schulen werden sich auf die zugenommen Heterogenität einstellen (müssen) und entsprechend handeln. Ich wünsche Ihnen den Mut, zu Ihrem Kind und Ihrer Familie zu stehen. Lassen Sie sich nicht überwältigen. Und bleiben Sie gesund!

Gleichzeitig Homeofficeing, Homeschooling, Home-Haushalting und Home-Bespaßungsclowning ergibt Home-Nervenzusammenbruching.

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Anette Rautnig-Barthelmeh