Mein Kind will nicht mit mir lernen

Es ist Mittwoch, übermorgen wird eine Schularbeit im Fach Mathematik geschrieben, die Englisch-Vokabeln müssen geübt und auch andere Hausaufgaben erledigt werden. Bis jetzt war es ein normaler, friedlicher Tag. Sie aber wissen, dass ein Kampf bevorsteht, an dessen Ende es nur Verlierer geben kann.

Wenn sich ein solches Ritual bei Ihnen verfestigt hat, dann verbindet Ihr Kind nur unangenehme Erfahrungen und Erwartungen an eine Lernsituation mit Ihnen. Es wird diese deshalb immer wieder meiden. Dennoch weiß es, dass es ihre Hilfe oft genug braucht Es ist ein Dilemma. Wie kann man diesem Teufelskreis entrinnen?

Zunächst einmal sind Eltern die wichtigsten Bezugspersonen und Sozialpartner im Leben ihres Kindes. Sie können Vorbild sein, liebevolle Begleiter auf dem Weg in die Welt hinein. Gute Lehrer sind sie nicht automatisch auch noch. Alle Eltern haben auch eigene gute und ungute Schulerfahrungen, die durch die Schulzeit des eigenen Kindes wachgeküsst werden. Erwartungen an die Entwicklung des eigenen Kindes spielen auch eine Rolle. Die Angst, nicht die optimale Unterstützung zu geben und dadurch Talente unzureichend zu fördern, bestimmt zudem das Handeln von Eltern.

Zusammengefasst überfordern sich Eltern oft in der Lernsituation, weil sie zu wenig auf das hören, was ihr Kind wirklich von ihnen möchte und braucht. Manchmal wurde auch die didaktische Ausrichtung des Lernstoffs nicht verstanden. Es hat keinen Zweck, die schriftliche Subtraktion anders zu erklären, als dies in der Klasse besprochen wurde!

Natürlich sollen Hausaufgaben und Übungen bearbeitet werden. Eltern können betreuen, unterstützen, helfen, sie sind aber nicht der außerschulische Klassenlehrer sondern eben Eltern und als solche verantwortlich für den Raum und die Zeit, die Schüler*innen für das häusliche Lernen brauchen – doch nicht für den Erfolg in Form perfekt gestalteter Referate, Textaufgaben, Aufsätze, Vokabellisten.

Wenn Sie Ihren Anspruch als „weisungsbefugter Chef“ in Sachen Hausaufgaben  zurücknehmen und ganz allgemein Druck aus den Übungssituationen nehmen, kann Ihr Kind wieder mehr Vertrauen in eine Zusammenarbeit gewinnen.

Besprechen Sie zusammen mit Ihrem Kind genaue Zeitpläne und -räume für das gemeinsame Arbeiten und Lernen abzusprechen. Wenn es zu Spannungen kommt: eine kleine Pause (es reicht ein Imbiss, ein Kartenspiel) kann Wunder wirken. Stehen Sie dazu, nicht perfekt zu sein und gönnen Sie es auch Ihrem Kind, nicht immer das Bestmögliche zu erreichen oder erreichen zu wollen. Dann stehen die Signale vielleicht bald wieder auf grün, wenn es heißt: „Zeit für die Aufgaben“.

Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen.

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Anette Rautnig-Barthelmeh