Wird mein Kind es schaffen?

Sie geben Ihr Kind mit der Einschulung aus der Familie heraus in eine Institution. Hier sollen zunächst die Kulturtechniken entlang eines verbindlichen Rahmenplanes vermittelt werden. Das Lesen, Schreiben, Rechnen setzt die Grundlage für den Erwerb aller weiteren schulischen Inhalte. Zugleich müssen sich die Schüler an eine veränderte Gruppenart gewöhnen, da nicht mehr das freie Spiel überwiegt sondern vielmehr angeleitet wird. Der Schulstundentakt gibt den Rhythmus an und auch der Nachmittag wird noch von schulischen Inhalten geprägt. Zudem hat sich die Alterszusammensetzung radikal verändert – es gibt nur mehr Gleichaltrige. Das Ausmaß des Erfolges bei der Anpassung an alle diese Herausforderungen ist die Voraussetzung für die Bildungswege und späteren beruflichen Möglichkeiten.

Mit dem Eintritt in die Schule hat sich also vieles verändert. Die Lehrkräfte sind der Institution verpflichtet und bei Ausübung all ihrer pädagogischen Möglichkeiten in z.B. der Notengebung nicht völlig frei. Sie als Eltern geben Verantwortung und Mitbestimmungsmöglichkeiten ab, Ihr Kind tritt ein Stück weit aus Ihrem Einflussbereich heraus und wird dafür selbständiger. 

In der Schule, in der Gruppe gleichen Alters, werden die Unterschiede in den Fähig- und Fertigkeiten, der Entwicklungsstand der Schüler*innen deutlicher. Die einen können fast schon lesen, wenn sie in die erste Klasse kommen, die anderen beginnen gerade mühsam, kleine von großen Buchstaben zu unterscheiden. Ähnlich verhält es sich beim Schreiben und Rechnen. Auch das Verhalten ist unterschiedlich und manchmal ist es schwer, in der Gruppe zu arbeiten und trotzdem als Individuum darin persönliche Fortschritte zu machen. Obendrein werden alle Entwicklungen fortlaufend beobachtet und gewertet, in eine Notenskala eingeordnet.

Eltern begleiten und unterstützen ihre Kinder auf dem Weg durch die Institution Schule durch Dick und Dünn. An manchen Punkten kann es eng werden, wenn der Lernstoff nicht ausreichend oder befriedigend aufgenommen wird, weil dem z.B. eine Lernstörung im Weg steht oder die „Chemie“ zwischen Lehrkräften und Mitschüler*innen und Ihrem Kind nicht stimmt oder gerade andere Entwicklungsschritte viel Aufmerksamkeit brauchen (Stichwort „Pubertät“). Solche Hindernisse sind im Verlauf eines Schüler*innen-Lebens eher die Regel als die Ausnahme. Natürlich sorgen diese Situationen, die sich durchaus auch auf längere Zeitfenster ausdehnen, für Unruhe in den Familien. Meistens wird als Reaktion darauf  der häusliche Aufwand für die Begleitung der schulischen Dinge deutlich ausgedehnt und das Lernen stressiger.

In Studien, die verschiedene Untersuchungen zu den Bildungserfolgen von Schüler*innen zusammenfassten und auswerteten, wurde als bedeutendster Faktor das Elternhaus herausgearbeitet. Die Vorhersagbarkeit der letztendlich erreichten Schulabschlüsse und erst recht der beruflichen Laufbahnen anhand von Zeugnisnoten an einem beliebigen Zeitpunkt der Schulzeit ist nur vage und mit einer Aussagekraft für den Bereich der bestenfalls nächsten zwei Entwicklungsjahre gegeben. Beschränkende Faktoren sind allein die zugrunde liegende allgemeine Problemlösungsfähigkeit (vulgo „Intelligenz“), nicht fachgerecht begleitete Lernstörungen sowie nicht unterstützende sozio-ökonomische Bedingungen.

Es bleibt die Einstellung der Eltern, die liebevolle und konstante Beziehung zu ihrem Kind, die Zuversicht, dass ihr Sprössling den Anforderungen gewachsen sein wird. Wenn nicht heute, dann aber längerfristig betrachtet. Das gilt erst recht, wenn Talente sich erst etwas später entfalten. Fördern Sie diese, so schult sich das ganze Kind daran. Positive Erlebnisse in einem nicht-schulischen Lernbereich helfen auch über schwierige Phasen des Lernens hinweg.

Der Bildungsplan aller Bundesländer erlaubt mittlerweile viele Wege zu den höheren und höchsten Bildungsabschlüssen und Fachberufen, die früheren Schülergenerationen noch verwehrt waren. Haben Sie Geduld, und entspannen Sie: Solange Sie der Fels in der Brandung bleiben, müssen Sie sich und Ihr Kind nicht heute überfordern, wenn Sie kühlen Kopfes daran glauben: Mein Kind wird es schaffen!

Besser langsam und richtig als schnell und falsch.

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Anette Rautnig-Barthelmeh